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Gericht beendet Strafverfahren gegen Ex-Landrat des Odenwaldkreises durch Einstellung

Marketingaffäre: Einigung auf 10 000 Euro Geldbuße

von: Manfred Giebenhain

(c) Manfred Giebenhain / Landgericht Darmstadt

(c) Manfred Giebenhain / Dietrich Kübler und Rechtsanwältin Andrea Combé

Odenwaldkreis/Darmstadt. Im Untreueprozess am Darmstädter Landgericht gegen den früheren Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (71) aus Mossautal ist es am zweiten Verhandlungstag (19.01.2022) zu einer Einigung der Parteien gekommen. Bereits bei Prozessbeginn vor einer Woche hatte der Vorsitzende Richter der achten Kleinen Wirtschaftskammer, Lothar Happel, ein vorzeitiges Ende des Berufungsverfahrens bei Zahlung einer Geldbuße ins Spiel gebracht. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte am Mittwoch nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung. Kommt Kübler der Vereinbarung nach, bis 1. März einen Betrag von 10 000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu überweisen, ist das Verfahren beendet. Er gilt damit nicht als verurteilt und ebenso wenig als vorbestraft.

Einschließlich einer Sitzungsunterbrechung war der Verhandlungstermin nach einer guten halben Stunde beendet. Die Geldbuße zu leisten hat Kübler an den Verein „Helfer vor Ort“, ein auf lokaler Ebene spezialisierter Rettungsdienst. Eine andere, von Kübler zuerst vorgeschlagene, ebenfalls ortsansässige, Organisation wurde nach Prüfung des Gerichts als nicht zuwendungsfähig abgelehnt. Zu der vorgesehenen Vernehmung des Inhabers der Werbeagentur aus Erbach im Zeugenstand kam es nicht mehr. Mit der Einigung wurde ein vorläufiger Schlussstrich unter die juristische Aufarbeitung der sogenannten Standortmarketing-Affäre gezogen, die in den Jahren 2011 bis 2013 für ein politisches Erdbeben im Odenwaldkreis und zum Bruch der damaligen Koalition aus SPD und Überparteilicher Wählergemeinschaft (ÜWG), deren Vorsitzender Kübler war, geführt hatte. Im Dezember 2017 sah das Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichter Helmut Schmied am Michelstädter Amtsgericht nach zwölf Verhandlungstagen und der Vernehmung von rund 30 Zeugen den Beweis erbracht, dass Kübler wegen Untreue im Amt zu verurteilen ist. Angelastet wurde ihm, dem Odenwaldkreis durch wiederholtes rechtswidriges Eingreifen in das Vergabeverfahren eines lukrativen Marketingauftrags einen Schaden in Höhe von rund 68 700 Euro zugefügt zu haben. Erstinstanzlich lautete das Urteil auf eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurden, sowie zu einer Geldstrafe von 25 000 Euro.

Im Unterschied zum Gericht in Michelstadt wollte Happel nicht ausschließen, dass am Ende des Berufungsverfahrens Kübler von dem Vorwurf der Untreue freigesprochen werden könnte. Ihrem Mandanten könnten keine strafrechtlich relevanten Handlungen nachgewiesen werden, plädierte Rechtsanwältin Andrea Combé (Heidelberg) von Beginn an auf Freispruch. Die Schuld an der Kürzung der Fördermittel durch die landeseigene WI-Bank, über die das damalige Marketingprojekt finanziert wurde, sei allein bei der Odenwald-Regionalgesellschaft (Oreg) mbH zu suchen. Was die Parteien schließlich zur Einigung bewegte, waren die Aussichten auf ebenfalls zwölf oder gar mehr Verhandlungstage und die bevorstehende Wiederholung der Zeugenvernehmung, die bereits im ersten Prozess von einer monatelangen Medienaufmerksamkeit begleitet wurde. Die Geldbuße auf 10 000 Euro zu reduzieren, begründete Happel mit einer Rücksprache mit den beiden Schöffen; vor Wochenfrist hatte er 16 000 Euro angeboten.

Für Kübler müsse es sehr belastend gewesen sein, über vier Jahre als Verurteilter auf die Eröffnung des Berufungsverfahrens warten zu müssen, so Happel weiter. 2017 hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung das Urteil nicht anerkennen wollen. Den langen Zeitraum bis zur Eröffnung des Berufungsverfahrens führte Happel auf die fortwährende Überlastung des Gerichts zurück; ferner hätten vordringlich zu bearbeitenden Verfahren eine weitere Verzögerung zur Folge gehabt. Hierauf begründete auch Staatsanwalt Joachim Hauschild seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung, ohne die rechtliche Beurteilung des Gerichts teilen zu wollen. Das Thema wird ein weiteres Gericht beschäftigen. Wie Hauschild anmerkte, habe die Oreg die WI-Bank beklagt, die einbehaltene Fördersumme auszuzahlen. Mit dieser Forderung wird sich das Verwaltungsgericht beschäftigen.

Im Mittelpunkt der Affäre stand seinerzeit das geschäftliche Verhältnis Küblers zu einer Werbeagentur, die er mit seinem Wahlkampf beauftragt hatte. Im Amt sollte diese Agentur nach seinem Willen auch einen neuen Werbeauftritt für den Odenwaldkreis erarbeiten, wozu es auch gekommen war. Kübler war von 2009 bis 2015 Landrat des Odenwaldkreises und stand Kraft Amtes dem Kreisausschuss vor, der über die Vergabe des Marketingauftrags entschieden hatte. In dieser Funktion hatte er auch den Vorsitz im Aufsichtsrat der Oreg, die die mit der operativen Umsetzung betraut war. Kübler hatte seinerzeit, trotz wiederholter Warnungen des Rechtsamts und anderen Beteiligten im Auswahlverfahren, in mehreren Schritten durchgesetzt, dass sein Favorit zum Zuge kam, obwohl dieser den Regeln nach auszuschließen gewesen wäre.


Berichterstattung zum Prozess am Michelstädter Amtsgericht (2017):

September 2017 - Hybris, Macht und Naivität

September 2017 - Viel Geld für Negativ-Marketing ausgegeben

Oktober 2017 - Jeder einzelne Regelverstoß rechtfertigte den Mittelentzug

Dezember 2017 - Ex-Landrat Dietrich Kübler wegen Untreue verurteilt