Gegen Ende des fünften Verhandlungstages wegen Untreue gegen den Ex-Landrat des Odenwaldkreises, Dietrich Kübler (ÜWG), meinte ein Kreisausschussmitglied vor dem Amtsgericht in Michelstadt halb im Scherz und halb im Ernst zu mir: „Wenn Sie etwas zu diesem Prozess schreiben, dann schreiben Sie etwas gutes. Sonst lässt man Sie vielleicht nicht mehr in den Odenwald rein. Den Odenwald verteidigen wir alle!“ So etwas geht einfach nicht, auch nicht (halb) im Scherz. Als ob der Odenwaldkreis eine Insel wäre. Was hier zum Ausdruck kommt, ist nicht nur eine gewisse Enge, sondern sicher auch eine Art von Gruppenbewusstsein zu einem Club der Anständigen zu gehören und es beschreibt das Phänomen, wie der Mensch überhaupt zu dem Zauberkunststück in der Lage ist, <<sich selbst blauen Dunst vorzumachen>> und das eigene Verhalten so oft für besser zu halten, als es ist. Ich frage mich, ob das nur ein gut gemeinter Ratschlag oder schon eine Drohung war?
Sicher ist, der Kübler-Prozess sagt auch einiges über die Mentalität in einer Verwaltung aus. Die Mentalität, um die es geht, ist oft so geprägt, dass Transparenz eher mit Geheimnisverrat oder Illoyalität identifiziert wird als mit offenem Dialog. Strukturen in (manchen) Verwaltungen, dies wird durch diesen Prozess auch deutlich, haben mit demokratischem Bewusstsein oder Streitkultur wenig zu tun, aber viel mit Korpsgeist. Deutlich wird auch, dass die Wahrnehmung von (manchen) Politikern als Respektpersonen der Vergangenheit angehört oder zumindest stark leidet, nicht zuletzt, weil politische Entscheidungen zunehmend innerhalb eines kleinen Kreises und scheinbar unter Wahrung persönlicher Interessen und finanzieller Vorteile ausgehandelt werden. Man soll sich nichts vormachen, in der Nähe von Orten der Macht gibt es immer Filz und Seilschaften. Und ein Landratsamt kann ein solcher Ort sein.