An dieser Stelle bringen wir eine kleine Fotostrecke zum Wahlkampf 2021. Fährt man in diesen Tagen mit dem Auto oder (vorzugsweise) mit dem Fahrrad vom Vorort in die (Innen-)Stadt wird der Blick beständig abgelenkt. Es gibt kaum einen Laternenmast ohne Wahlplakate. Alle möglichen Plakate, nicht nur die Wahlplakate, werben um unsere Aufmerksamkeit und wollen mit ihren verkürzten Botschaften Einfluss nehmen auf unsere Entscheidungen.
In diesem Zusammenhang weisen wir auf das Buch NOISE des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann und seiner Co-Autoren hin, die herausgearbeitet haben, dass wir uns auf unsere Urteilskraft weniger verlassen können als gedacht. In seinem neuen Buch, das in Zusammenarbeit mit Bestsellerautor Cass Sunstein und Olivier Sibony entstanden ist, klärt Nobelpreisträger Daniel Kahneman über die Vielzahl von oft zufälligen Faktoren auf, die unsere Entscheidungsfindung stören und häufig negativ beeinflussen – sie sind im Begriff »Noise« zusammengefasst. Wir müssen lernen, diese »Störgeräusche« zu verstehen und mit ihnen umzugehen, nur dann können wir auf Dauer bessere Entscheidungen treffen.
"Die Autoren führen frappierende Noise-Beispiele aus sehr verschiedenen Bereichen an. So berichten sie etwa über eine Studie über die Urteile von Asylrichtern. Dabei „kam heraus, dass ein Richter 5 Prozent der Asylsuchenden anerkannte, während ein anderer 88 Prozent anerkannte. Der Titel der Studie sagt alles: ‚Flüchtlingsroulette‘.“ (Im übrigen fallen Gerichtsurteile grundsätzlich strenger aus, wenn RichterInnen hungrig sind, Verhandlungen also etwa kurz vor der Mittagspause stattfinden.)" (taz)
Interessant ist auch, dass es in Genf eine Initiative gibt, die sich für einen werbefreien öffentlichen Raum einsetzt: Kommerzielle Werbung sei eine «visuelle Verschmutzung». Wer sich im öffentlichen Raum bewege, könne nicht wählen, ob sie oder er eine Plakatwand anschaue oder eben nicht. Man werde einfach berieselt, um danach «irrationale Kaufentscheide» zu fällen, was in unserem «postindustriellen Kapitalismus» ein Grund für «Konsumwahn und Verschuldung» sei. Kurz: Die Bevölkerung müsse den öffentlichen Raum «zurückgewinnen», indem sie diesen wieder selbst gestalte. ... Die Kehrseite ist: Dürfen Firmen nicht mehr auf der Strasse plakatieren, wandert die Werbung ins Internet ab – zur Freude der amerikanischen Tech-Giganten, zum Schaden der lokalen (Werbe-)Wirtschaft. (NZZ)
Im Sinne visuellen Lärms bzw. eines dauerhaften Grundrauschens möchten wir die (momentane) Flut von (Wahl-)Plakaten verstanden wissen, die uns umgibt.
Manche Fotos sind dabei eher ironisch gemeint; denn das Auge bzw. der Blick erfasste im öffentlichen Raum mit einem Mal auch andere Dinge als Wahlwerbung.