Nicht jeden Tag führen wir einen Dialog mit Ortega y Gasset, man vergisst ihn für längere Jahre, oft denkt man auch, er wurde historisch, Spezialisten klagen über die nicht oder nicht ausreichend durchgeführte Rekonstruktionsarbeit an seinem Werk. Wenn jedoch aus irgend einem Grunde ein Dialog wieder möglich wird, erweist er sich als höchst vital (wie die Lebensfülle oder das erfüllte Leben auch zu den tiefsten Ideen von Ortega gehören). Wir treten damit auch in eine vorgeprägte und klassische Linie der Dialoge ein; 1914 initierte Ortega ein Gespräch mit Don Quichotte (Meditaciones del Quijote), 1934 publizierte Thomas Mann seine Meerfahrt mit Don Quijote. Dieses Werk war ein mehrfacher Hinweis auf Ortega, zunächst auf dessen Werk vom Jahre 1914 und dann auf den 1932 auf deutsch erschienenen magnum opus von Ortega Der Aufstand der Massen. Und all das ist noch nicht alles. Diese Meerfahrt von Thomas Mann war die Emigration selbst, die Reise nach den Vereinigten Staaten. Das Jahr 1934 bestätigte somit eine gewisse Wahrheit des 1932 auf deutsch erschienenen und 1929 auf spanisch zum ersten Mal publizierten Buchs Aufstand der Massen.
Die Machtübernahme Hitlers war immerhin nur die eine mögliche Konsequenz von Ortegas geschichtsphilosophischem Werk. Denn der Aufstand der Massen ist alles andere als eine einheitliche Konzeption, es ist ein Kaleidoskop von unendlich vielen Ideen und Ansätzen, sehr vielschichtig und sehr interdisziplinär. Seine Linienführung ist frei, manchmal ironisch und spielerisch, auch nicht ohne Humor, mit sichtbarer Freude an eigenen sprachlichen Volltreffern, voll von Verantwortung, aber auch heiter. Vor allem beschreibt er 1929 aber eine Weltsituation, die noch offen ist, ...